Was Investoren jetzt wollen

Blindes Wildwest-Kapital ist vorbei. Während in der jüngsten Venture-Capital-Zeit in Milliardenhöhe investiert wurde, beobachten Anleger seit Ende 2022 eine scharfe Kurskorrektur.

Die Zinsen sind hoch, das Fahrwasser unsicher. Die Taktgeber am Markt werden anspruchsvoller. Ein gutes Pitchdeck reicht heute nicht mehr – wer an Venture Capital ran will, der muss zählen können, wachsen können und vor allem ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell vorweisen können.

"Smart Money"- Fonds investieren ihr Kapital gezielt – und suchen echte Impact-Deals. Gefragt sind Startups, die Probleme lösen, Effizienz schaffen oder ganze Märkte verändern. Dabei gibt es auch in der Hitliste der Interessenten einige Favoriten der Branche, die nicht nur wegen ihrer Innovationskraft, sondern auch wegen ihrer wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit bestechen.

Künstliche Intelligenz goes B2B, aber bitte differenziert

KI ist und bleibt der Darling unter den Technik-Trends, doch der Fokus hat sich verschoben. Statt Hype und Hysterie rund um generative Text-KIs legen immer mehr Fonds den Fokus auf handfeste B2B-Anwendungen. Insbesondere für die Automatisierung von Geschäfts-Prozessen, Optimierung von Lieferketten oder Predictive Maintenance steigt das Interesse.

So etwa AI-Startups im Bereich Legal Tech oder Accounting, die mit KI gestützten Tools das Abarbeiten von immergleichen Routine-Tasks übernehmen und dadurch messbar Kosten einsparen – ein klares Argument auch für konservativere Investoren, die sonst lieber in defensive Werte wie den DAX investieren. Auch auf vertikale KIs, die gänzlich auf einen bestimmten Branchensektor oder ein Themengebiet fokussiert sind, setzen Anleger 2025 deutlich häufiger als noch vor 12 Monaten.

GreenTech und Energie-Innovation: Impact mit Renditepotenzial

Die Energiewende ist nicht mehr nur ein politisches Projekt – sie ist zu einem gewaltigen Markt aufgestiegen. Startups, die neue Lösungen für Solar-Integration, Netzstabilisierung oder Energiespeicherung bieten, stehen ganz oben auf den Wunschlisten vieler Fonds.

Besonders gefragt sind modulare Konzepte, etwa Microgrids oder Plug-and-Play-Energiesysteme. Auch in der Industrie tun sich Chancen auf: CO₂-Monitoring, effiziente Wärmerückgewinnung und zirkuläre Produktionsprozesse stoßen bei Investoren auf wachsendes Interesse – vor allem, wenn sie regulatorischen Anforderungen in der EU oder der Schweiz zuvorkommen und zugleich Betriebskosten massiv senken können.

Fintech 2.0 – Neue Chancen jenseits der Neobank

Der große Hype um Neobanken ist abgeflacht, doch Fintech bleibt ein zentraler VC-Sektor. Die Nachfrage verlagert sich immer mehr in Richtung B2B – zu Plattformen, die Zahlungsströme automatisieren, Risikoprüfungen in Echtzeit ermöglichen oder Embedded Finance in bestehende Systeme integrieren.

Ein spannender Bereich ist die Tokenisierung von Vermögenswerten. Hier entstehen gerade neue Lösungen für den Zugang zu alternativen Anlageformen, etwa Immobilien oder Kunst, über Blockchain-Protokolle. In diesem Zusammenhang spielen auch Nischenanwendungen eine Rolle, die als Treiber für technische Innovationen im Payment-Sektor gelten, auch wenn sie selbst kein VC-Ziel sind.

Krypto, Web3 & Tokenisierung: Zwischen Reife und Risiko

Web3-Projekte erleben nach dem Bärenmarkt eine selektive Renaissance. Doch das Investitionsverhalten hat sich gewandelt. Investor setzen weniger auf Coins, dafür mehr auf Infrastruktur: Layer-2-Protokolle, dezentrale Speicherlösungen, Smart-Contract-Auditing oder Interoperabilitätslösungen gewinnen an Relevanz.

Auch sogenannte Real-World-Assets (RWA) auf der Blockchain – etwa tokenisierte Bonds oder Darlehen – werden zunehmend als Alternative zur klassischen Kreditvergabe betrachtet. Der GameFi- und Gambling-Bereich bleibt umstritten, bietet aber technologische Impulse: So gelten Blockchain-basierte Zahlungsmodelle mit Kryptowährungen als Testfeld für userfreundliche Wallet-Integrationen und Onboarding-Lösungen.

HealthTech & Mental Wellness – neue Märkte im Gesundheitssektor

Auch die Digitalisierung der Medizin schreitet voran. Neben klassischen HealthTechs, etwa zur digitalen Terminvergabe oder Diagnostik per App, entstehen immer mehr Lösungen rund um mentale Gesundheit, Prävention und Employee Wellbeing.

Startups, die psychologische Hilfe skalieren – etwa mit KI-gestützten Coachings oder hybriden Modellen aus App und persönlichem Kontakt – stoßen auf offene Ohren bei Fonds mit ESG-Fokus. Auch Wearables, die Vitaldaten in Echtzeit erfassen und analysieren, erleben eine neue Welle der Aufmerksamkeit – vor allem im betrieblichen Gesundheitsmanagement.

Gaming, eSports & digitale Unterhaltung – mehr als nur Hype

Gaming ist längst kein reines Freizeitvergnügen mehr – es ist ein Milliardenmarkt. Der Fokus verlagert sich auf Community-getriebene Plattformen, Creator-Economy-Modelle und die Verschmelzung von Gaming und Social Media.

Investoren beobachten den Markt differenziert: Klassische Studios sind weniger gefragt, dafür rücken Infrastrukturprojekte, Tools für Live-Interaktion oder KI-gestützte Content-Erstellung in den Vordergrund. Auch in Verbindung mit Blockchain entstehen neue Modelle – etwa für faires Matchmaking, digitale Besitzrechte oder Zahlungslösungen innerhalb von Gaming-Ökosystemen.

Einzelne Ideen aus dem Glücksspielbereich, wie transparente Smart-Contract-Wetten oder eben die Abwicklung von Einzahlungen mit Kryptowährungen bei Online-Casinos, fließen dabei in andere Märkte ein und inspirieren neue Modelle, etwa im Loyalty- oder Micropayment-Segment.

Fazit: Die neue Gründerrealität – Kapital gibt es, aber nicht für jeden

2025 ist kein Jahr des Massenkapitals, sondern der Fokussierung. Wer ein Startup gründet, muss sich der verschärften Bedingungen bewusst sein – aber auch der Chancen. Venture Capital fließt weiterhin, vor allem in Sektoren mit klarem Nutzen, resilientem Geschäftsmodell und realer Skalierbarkeit.

Die heißesten Sektoren sind dabei nicht nur technologisch spannend, sondern oft auch gesellschaftlich relevant: ob KI für den Mittelstand, grüne Energie für Städte, oder digitale Gesundheit für alle. Und nicht selten entstehen die besten Ideen an den Schnittstellen – zwischen Finanzen und Games, zwischen Web3 und realer Wirtschaft, zwischen Unterhaltung und Effizienz.

Gründer, die diese Übergänge erkennen und nutzen, haben die besten Karten – nicht nur fürs Funding, sondern auch für den langfristigen Erfolg.

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