Ansprüche nach EU-Verordnung 261/2004

Wenn der Flug kurzfristig ausfällt, trifft es Reisende aus Sachsen oft doppelt: Der geplante Abflug ab Leipzig/Halle (LEJ) oder Dresden (DRS) platzt – und die Anschlussreise über Drehkreuze wie Frankfurt, München, Zürich oder Wien gerät ins Wanken. Gut zu wissen: Die EU-Verordnung 261/2004 („Fluggastrechte-VO“) schützt Sie in solchen Situationen. Sie regelt, wann Fluggesellschaften zahlen müssen, wie Sie betreut werden und welche Alternativen Sie einfordern können. Dieser Beitrag gibt einen kompakten Überblick mit Blick auf die Praxis an LEJ und DRS – von der Anwendbarkeit bis zur Durchsetzung.

1) Für wen gelten die Regeln?

Die Fluggastrechte-VO gilt immer dann, wenn Ihr Flug in der EU startet – also auch bei allen Abflügen in Leipzig/Halle und Dresden. Außerdem greift sie bei Ankünften in der EU, sofern die ausführende Airline ihren Sitz in der EU hat. Entscheidend ist die ausführende Fluggesellschaft („operating carrier“): Haben Sie z. B. bei einem Reiseportal gebucht, aber die Maschine wird von Airline X betrieben, richten Sie Ansprüche gegen Airline X.

Reisen Sie auf einem einheitlichen Ticket mit Umstieg (etwa DRS–MUC–ROM), zählt rechtlich die Ankunft am Endziel der Kette – nicht nur der erste Teilflug. Das ist wichtig, wenn der erste Flug pünktlich ist, der Anschluss aber scheitert, oder umgekehrt.

2) Ausgleichszahlung

Bei Annullierung oder großer Verspätung können pauschale Ausgleichszahlungen fällig werden. Die Höhe richtet sich nach der Flugentfernung (bis 1.500 €250/bis 3.500km €400/ab 3.500km 600 Euro). Maßgeblich ist bei Verspätungen die Ankunftszeit am Endziel – für Ansprüche braucht es eine große Ankunftsverspätung (nach gängiger Rechtsprechung ab drei Stunden).

Zusätzlich spielt bei Annullierungen eine Rolle, wann die Airline informiert hat: Erfolgt die Mitteilung weniger als 14 Tage vor Abflug, ist eine Ausgleichszahlung möglich, sofern die Ersatzbeförderung nicht ähnlich pünktlich am Ziel ankommt. Es gibt Ausnahmen: Bei außergewöhnlichen Umständen (z. B. extremes Wetter, Sperrungen des Luftraums, behördliche Anordnungen, Ausfall der Flugsicherung) entfällt die Ausgleichszahlung, die Betreuung (siehe Abschnitt 3) bleibt aber geschuldet.

Arbeitskämpfe sind differenziert zu betrachten: Streiks beim Flughafen oder der Flugsicherung gelten meist als außergewöhnlich. Unternehmensinterne Arbeitskämpfe, also Streiks beim Personal einer Airline, wurde in einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in zentralen Konstellationen nicht als außergewöhnlich eingestuft – Ausgleichsansprüche können gemäß AirHelp also beispielsweise bei einem Lufthansa Streik bestehen.

Wichtig: Selbst wenn eine Ausgleichszahlung ausscheidet, bleiben weitere Rechte bestehen, insbesondere Betreuung sowie Erstattung oder Ersatzbeförderung.

3) Betreuung und Ersatzbeförderung

Ab bestimmten Wartezeiten muss die Airline kostenfrei versorgen – mit Mahlzeiten/Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Verzögerung sowie Kommunikationsmöglichkeiten (z. B. zwei Telefonate oder E-Mails). Wird der Weiterflug erst am Folgetag möglich, besteht Anspruch auf Hotelunterbringung einschließlich Transfer zwischen Flughafen und Unterkunft. Diese Pflichten gelten unabhängig vom Grund der Störung – also auch bei Wetter oder Streik der Flugsicherung.
Parallel haben Sie das Wahlrecht zwischen:

  • Rückerstattung des Ticketpreises (bei Bedarf inkl. Rückflug zum Startpunkt),
  • Umleitung zum Endziel zum frühestmöglichen Zeitpunkt unter vergleichbaren Bedingungen, oder
  • Umleitung zu einem späteren Zeitpunkt nach Ihren Wünschen (je nach Platzverfügbarkeit).

Für Reisende aus Sachsen kann sich – je nach Lage – auch eine Umleitung ab dem jeweils anderen Regionalflughafen (LEJ statt DRS oder umgekehrt) oder ab einem nahegelegenen Alternativflughafen (z. B. Berlin, Prag) anbieten. Wird Ihnen zeitnah kein sinnvoller Ersatz angeboten, dürfen Sie freundlich, aber bestimmt auf die frühestmögliche Beförderung drängen – auch mit Umbuchung auf andere Airlines. Bewahren Sie alle Nachweise (Bordkarten, Bestätigungen, Quittungen).

4) Anschluss verpasst

Gerade ab LEJ/DRS führen viele Reisen über ein Drehkreuz. Verpassen Sie den Anschluss auf einem einheitlichen Ticket, zählt Ihre Gesamtankunft am Endziel. Erreichen Sie dieses mit großer Verspätung, kann trotz pünktlichem Start in Sachsen eine Ausgleichszahlung entstehen.

Wichtig ist auch hier: Die Airline muss Betreuung leisten und schnellstmöglich umleiten.

Bei getrennten Tickets (z. B. separat gebuchter Zubringer) ist die Lage schwächer: Dann greifen die Fluggastrechte für jeden Teilflug isoliert, und der Schutz beim Anschlussverlust ist begrenzt. Wer häufig umsteigt, sollte daher nach Möglichkeit ein Ticket buchen.

5) Fristen, Nachweise, Durchsetzung

In Deutschland verjähren Ansprüche aus der Fluggastrechte-VO in der Regel nach drei Jahren, gerechnet bis zum Jahresende des Ereignisses (Beispiel: Flugausfall am 10.08.2025 → Fristende 31.12.2028). Melden Sie Ihren Anspruch schriftlich bei der ausführenden Airline an – mit Flugnummer, Buchungsnummer, Reisedatum, Strecke, Schilderung des Ablaufs, Ankunftszeit am Endziel, benannten Forderungen (Ausgleichszahlung, Erstattung von Auslagen) und Belegen (Bordkarten, Foto der Anzeigetafel, Quittungen). Prüfen Sie parallel, ob Ihre Pauschalreise weitere Ansprüche gegenüber dem Veranstalter eröffnet (z. B. Minderung) – zusätzlich zu EU-261-Rechten gegen die Airline.

Kommt die Fluggesellschaft ihrer Pflicht nicht nach, können Sie:

  • die nationale Durchsetzungsstelle (in Deutschland z. B. das Luftfahrt-Bundesamt für bestimmte Sachverhalte) einschalten,
  • die Schlichtung wählen (sofern die Airline angeschlossen ist),
  • oder Ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen (ggf. mit anwaltlicher Unterstützung).

Praktische Hinweise für LEJ/DRS:

  • Halten Sie bei einer akuten Störung Kontakt zur Airline am Schalter, sichern Sie Beweise (Fotos der Anzeigetafel, Uhrzeit), und prüfen Sie bei knappen Umsteigezeiten, ob eine Umleitung ab dem jeweils anderen sächsischen Flughafen schneller ist.
  • Bitten Sie die Airline aktiv um eine Lösung „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ – das ist der Maßstab der Verordnung.
  • Bei längeren Wartezeiten: Betreuungsleistungen einfordern; wenn Sie mangels Voucher selbst zahlen müssen, Quittungen aufbewahren und später einreichen.

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